Seekrankheit

Was können Sie dagegen tun?

Seekrankheit / Kinetose

Was früher nur Seefahrer betraf, tritt heute in verschiedenen Lebenbereichen auf: Die Seekrankheit, auch Reisekrankheit, motion sickness, Kinetose oder simular sickness genannt.

Symptome


Die Seekrankheit tritt in Zusammenhang mit eigener Bewegung oder Bewegung der Umgebung auf.

Infolge einer dadurch bedingten Stressreaktion kommt es zu vegetativen Symptomen.
Diese beginnen häufig schleichend mit Müdigkeit und Gähnen sowie verminderter Aufmerksamkeit, das sogenannte Sopite-Syndrom.
Es folgt Kaltschweißigkeit, Blässe, vermehrtem Speichelfluss, auch Kopfschmerzen. Schließlich kommt es zu Übelkeit und Erbrechen mit teils erheblichen Krankheitsgefühl.

Nach Wegfall der auslösenden Bewegungssituation bilden sich die Symptome meist innerhalb eines Tages zurück.

Früher waren vor allem Seeleute betroffen.
Heute auch Kreuzfahrtouristen oder Arbeiter, die in kleinen Booten zu Windparks im Meer gebracht werden.
Ebenso Menschen auf dem Rücksitz im Auto oder im Flugzeug.
Hierzu gehört auch das Krankheitsbild der „simulator sickness“: Videospiele auf großen Bildschirmen oder Virtual-Reality-(VR-)Brillen mit bewegten Bildern können zu gleichen Beschwerden führen.

Jüngere Menschen, insbesondere Kinder zwischen 6 und 12 Jahren und Frauen gelten als anfälliger für Kinetosen.
Zwillinge reagieren oftmals sehr ähnlich, was auf eine genetische Komponente hinweist.

Was führt zur Seekrankheit?


Gleichgewichtssinn, Augen und Informationen aus den Muskeln informieren das Gehirn über Körperhaltung und Körperbewegung.

Normalerweise ergänzen diese drei Sinnenkanäle einander ohne Widersprüche. (also vestibulär, visuell, propriozeptiv)

Sind die Informationen der Sinne aber unterschiedlich und widersprüchlich oder stimmen sie nicht mit den Erwartungen des Gehirns überein, kommt es zu Konflikten und Stressreaktionen (intersensorisches Konfliktmodell).
Diese führen dann zu den typischen Beschwerden.

Das tritt z.B. auf, beim Anblick der Meereswogen vom Deck eines schwankenden Schiffes. Dabei bewegen sich die beobachteten Wogen anders (von Augen wahrgenommen, also visuell) als sich das Schiff bewegt (Information vom des Gleichgewichtsorganes.)

Bei einer Virtual-Reality-(VR-)Brille sieht das Auge Bewegungen, eine tatsächliche Köperbewegung findet aber nicht statt. Das Gehirn bekommt also nicht übereinstimmende Informationen über die Augen und das Gleichgewicht.

Beim Lesen eines Buches auf dem Rücksitz eines Autos melden die Augen Ruhe, das Gleichgewicht dagegen die Bewegung des Autos.

Auch widersprüchliche Informationen innerhalb der Gleichgewichtsorgane, die jeweils 5 Sensoren enthalten, können zur Kineteose führen.


Meist gewöhnt sich der Körper nach einiger Zeit an die Bewegungen, so dass eine Seekrankheit nach einigen Tagen nachlässt.

Verschiedene, durch den Stress freigesetzte Botenstoffe im Gehirn lösen dann die Beschwerden aus.
Zum Beispiel gilt Histamin als mitverantwortlich für das Erbrechen bei Seekrankheit.
Das wird auch dadurch bestätigt, dass stark histaminhaltige Nahrungsmittel die Symptomatik verstärken können.

Behandlung


Die Therapie besteht aus Verhaltensregeln und Medikamenten.
Diese können die Seekrankheit nicht vollständig verhindern oder unterdrücken, können die Symptome aber günstig beeinflussen.


Verhaltensregeln

  • Visuelle Kontrolle der Fahrzeugbewegung
    - auf Schiff: Der Aufenthalt in der Mitte des Schiffs ist besser als an Bug oder Heck
    - im Auto: Sicht nach vorn und außen
    - im Flugzeug: Platz über den Tragflächen wählen
    - in Bus und Bahn: in Fahrtrichtung sitzen, Sicht nach vorn und außen



  • Fixieren des Horizontes
    wenn kein Horizontblick möglich ist, die Augen schließen und den Kopf möglichst nicht bewegen



  • Bettruhe mit Reduzierung der visuellen Einflüsse



  • Halten Sie sich in der Mitte des Schiffes auf, denn dort ist die Bewegung am Drehpunkt am geringsten. An Heck oder Bug oder auf dem Mast sind die Bewegungsausschläge groß und die Beschwerden werden schlimmer.



  • vor einer geplanten Schiffahrt und bekannter Seekrankheit: Training: Habituation (Gewöhnung) durch Bewegungs- und Körpertraining,
    Trainieren aktiver Ausgleichsbewegungen



  • Stressreduzierung durch z.B. angenehme Musik oder Gerüche



  • Meiden histaminhaltiger Nahrungsmittel
    Thunfisch, Emmentaler Käse, Salami, Sauerkraut, Rotwein (durch Mikroorganismen veredelte oder veränderte Lebensmittel)



  • Akupressur des Punktes P6
    dieser hilft gegen Übelkeit.
    Der Punkt P6 liegt 3 Querfinger über der Handbeuge an der Innenseite des Unterarmes.

Medikamente

  • Antihistaminika
    Dimenhydrinat (H1-Antagonist, wirkt zusätzlich als Dopamin-, Serotonin-, Bradykinin-rezeptor-Antagonist)
    Dimenhydrinat in Kombination mit Cinnarizin (höhere Ansprechsrate)
    Nebenwirkungen in 5%: Müdigkeit, Reaktionsverlangsamung, Koordinations- und Konzentrationsstörungen
    Wirkdauer: 4-8 Stunden
    Dimenhydrat kann i.m. oder als Zäpfchen gegeben werden



  • Meclozin
    Meclozin ist ein H1-Rezeptor-Antagonist und Antihistaminikum, das als Antiemetikum eingesetzt wird: Es ist bei Kinetose sehr gut wirksam, ist aber seit 2007 nicht mehr auf dem deutschen Markt (aufgrund kommerzieller Überlegungen wegen einer erforderlichen Nachzulassung) (1). In anderen Ländern wird der Arzneistoff allerdings noch vertrieben.
    Die Wirkung tritt etwa nach einer Stunde ein und hält bis zu 24 Stunden an. Zu den möglichen unerwünschten Wirkungen gehören Verdauungsstörungen, Kopfschmerzen, Schwindel, Sehstörungen und ein schneller Puls. Meclozin kann müde machen und soll nicht mit Alkohol kombiniert werden.



  • Antcholinergika
    Scopolamin-halitge transdermale Pflaster
    zur Vorbeugung geeignet. Das Pflaster gibt den Wirkstoff verzögert über mehrere Tage ab.
    Wirkdauer: 3 Tage
    Nebenwirkungen: Schleimhauttrockenheit (Mundtrockenheit), Mydriasis, Palpitationen, Harnverhalt, selten Halluzinationen



  • Ingwer
    Wirkt gegen Erbrechen
    (Inhaltsstoffe sollen als Antagonist am 5-HT3-Rezeptor wirken, der eine wesentliche Rolle im Brechzentrum spielt);
    als Tee oder kleine Stücke kauen



  • Hochdosiertes Vitamin C
    leichte antihistaminerge Wirkung



  • Möglicher Einsatz bei Überkeit und Erbrechen, aber wegen Nebenwirkungen bei Seekrankheit nicht indiziert:
    Metoclopramid (Dopaminantagonist) - in Einzelfällen extrapyramidale Nebenwirkungen; (kann i.m. gegeben werden)
    Ondansetron (5-HT3-Antagonist)
    Aprepitant (Neurokinin-1-Antagonist)