Schwerhörigkeit: Arten, Entstehung und Ursachen

Allgemeines


Die Schwerhörigkeit ist eine häufige Erkrankung.
Ältere Menschen sind dabei wesentlich häufiger betroffen als junge. Etwa jeder 15. Mensch in Deutschland ist schwerhörig.
Immer häufiger tritt eine Schwerhörigkeit auch bei jungen Menschen auf.
Hören ist etwas Selbstverständliches. Man wird sich dem Hörsinn meist erst bewusst, wenn eine Schädigung eingetreten ist. Also dann, wenn man die gewohnten Klänge und Geräusche nicht mehr wie üblich wahrnimmt.
Dieses Erlebnis wird dann als sehr dramatisch empfunden und ist in vielen Fällen, z.B. bei Lärmschwerhörigkeit, nicht rückgängig zu machen.
Deshalb ist eine Vorbeugung gegen eine Schwerhörigkeit, z.B. bei Lärmschwerhörigkeit, um so wichtiger.

Hörtest zu Überprüfung des Hörvermögens

Zur Überprüfung des Gehör kann beim HNO-Arzt ein Hörtest (Audiogramm) durchgeführt werden.

Dabei werden die Töne unterschiedlicher Tonhöhe ermittelt, die gerade noch gehört werden.
Eingetragen in ein Diagramm, ergibt das die Hörkurve. Diese ist bei allen Normalhörigen annähernd gleich und bewegt sich um eine Nulllinie.
Werden Töne erst bei stärkerer Lautstärke gehört, weicht die Hörkurve von der Nulllinie ab, was eine Schwerhörigkeit beweist.

Stärke der Schwerhörigkeit


  • Ein Abweichen der Hörkurve von der Nulllinie bis 20 dB wird noch als Normalhörigkeit bezeichnet.
  • Wird das Ticken der Armbanduhr, welche eine Lautstärke von etwa 20 dB hat, nicht mehr gehört, liegt bereits eine geringgradige Schwerhörigkeit vor.
  • Ab einen Hörverlust von 40 dB (Grundgeräusch in Wohngebieten am Tage) spricht man von einer mittelgradigen Schwerhörigkeit.
  • Kann der Gesprächpartner nicht mehr gehört werden (Normales Sprechen entspricht 60 dB), liegt eine hochgradige Schwerhörigkeit vor. Dann besteht ein Hörverlust von mindestens 60 dB.
  • Ein Hörverlust über 80 dB (laute Musik, belebte Straße) entspricht einer an Taubheit grenzenden Schwerhörigkeit.
  • Hört man praktisch nichts mehr, entspricht das der Taubheit.

Schallleitungs- und Schallempfindungs-Schwerhörigkeit


Die Schwerhörigkeit kann in allen Teilen des Ohres, die an der Schallübertragung beteiligt sind, entstehen.
Je nach Ort der Entstehung unterscheidet man die Schallleitungs-Schwerhörigkeit und die Schallempfindungs-Schwerhörigkeit.

Liegt der Ort der Schädigung im Gehörgang oder Mittelohr, spricht man von der Schallleitungs-Schwerhörigkeit. Diese kann in vielen Fällen durch medizinische oder chirurgische Behandlung beseitigt oder gebessert werden.

Bei der Schallempfindungs-Schwerhörigkeit liegt die Schädigung im Innenohr (Hörschnecke), im Hörnerven oder Strukturen des Gehirns.

Eine Schwerhörigkeit kann plötzlich (akut) auftreten, wie z.B. beim Hörsturz.
Sie kann sich aber auch langsam (chronisch), über Jahre, entwickeln (z.B. Lärmschwerhörigkeit).

 


Einteilung der Schwerhörigkeit nach dem Ort ihrer Entstehung: äusseres Ohr und Mittelohr (blau) oder Innenohr und Hörnerv (rot)

Die folgende Übersicht zeigt die Ursachen für eine akute und chronische bzw. Schallleitungs- und Schallempfindungs-Schwerhörigkeit.
Es wird deutlich, das es zahlreiche Ursachen für eine Schwerhörigkeit gibt.

Aufgabe des HNO-Arztes ist es, die Ursache der Schwerhörigkeit zu finden, um diese sachgerecht behandeln zu können.


 

1. Ursachen für eine akute Schwerhörigkeit


1. 1. Ursachen für eine akute Schallleitungs-Schwerhörigkeit (Gehörgang / Mittelohr)


Ohrschmalz (Cerumen), Fremdkörper

Die vermehrte Bildung von Ohrschmalz oder das "nach hinten Schieben des Ohrschmalzes" beim Reinigungsversuch mit Wattestäbchen sowie die Arbeit unter staubigen Bedingungen führt dazu, dass sich Cerumen im Gehörgang ansammelt.
Es kommt so zum Verschluss des Gehörganges durch den Ohrenschmalz.
Den gleichen Effekt erzielt man mit einem Fremdkörper, z.B. Watte, oder bei Kindern, die sich manchmal eine Murmel in das Ohr stecken.
Eine akute Hörverschlechterung tritt meist dann ein, wenn Wasser in den Gehörgang, z.B. nach dem Baden, eingedrungen ist, und aufgrund des Ohrenschmalzes nicht wieder herauslaufen kann.

Gehörgangsentzündung (Otitis Externa), Ohrfurunkel

Die Otitis externa ist eine Entzündung der Haut des Gehörganges durch Bakterien, Pilze oder bei Allergien.
Das Ohrfurunkel entspricht einer lokal begrenzten Entzündung, ausgehend von den Haarwurzeln im Gehörgang.
Durch die entzündliche Schwellung der Haut kann es zum Verschluss des Gehörganges und damit zur Schwerhörigkeit kommen.
Die Gehörgangsentzündung ist immer sehr schmerzhaft.

Verletzungen des Trommelfells

Das versehentliche Durchstechen des Trommelfells, z.B. bei der Ohrreinigung oder das Zerreißen durch einen Schlag auf das Ohr mit der flachen Hand ist gar nicht so selten.
Neben Schmerzen und einer Blutung aus dem Gehörgang kann eine Schwerhörigkeit auftreten.

Akute Tubenventilationsstörung

Die akute Tubenventilationsstörung ist ein Verschluss der Ohrtrompete, also der Verbindung zwischen Nase und Mittelohr.
Meist entsteht sie durch entzündliche Erkrankungen im Nasen- und Rachenbereich, aber auch bei schnellen Luftdruckveränderungen (Fliegen, Tauchen) oder bei Nasen- und Rachentumoren.
Man bemerkt dabei ein Druck- und Völlegefühl im Ohr (wie "Wasser im Ohr") und manchmal ein Glucksen.
Das Hören ist meist dumpf und erschwert.

Barotrauma

Die Ohrtrompete (Tube) ist die Verbindung zwischen Mittelohr und Nasenrachen. Über sie wird der Luftdruck im Mittelohr ausgeglichen.
Bei Schnupfen kann die Öffnung der Tube durch entzündliche Veränderungen nur erschwert oder gar nicht erfolgen.
Bei schnellen Luftdruckveränderungen (z.B. beim Fliegen, Seilbahnfahren oder Tauchen) baut sich so ein Druckunterschied zwischen Mittelohr und äußerem Gehörgang auf, der das Trommelfell dehnt. Es kann dabei sogar zerreißen.
Man verspürt starke Ohrenschmerzen, Ohrgeräusche, das Gefühl des verstopften Ohres und eine Schwerhörigkeit.

Akute Mittelohrentzündung

Die Es handelt sich dabei um eine akute Entzündung der Mittelohrschleimhaut.
Diese entsteht meist bei gleichzeitigem viralen oder bakteriellen Infekt der oberen Atemwege (Schnupfen, Erkältung) und wird über die Ohrtrompete in das Mittelohr eingeschleppt.
Kennzeichnend sind pulsierende, stechende Ohrenschmerzen, Fieber und Schwerhörigkeit.

Luxation der Gehörknöchelchen

Die Gehörknöchelchen im Mittelohr übertragen den Schall vom Trommelfell zum Innenohr.
Durch Verletzungen im Mittelohr oder Schädelbruch kann die Verbindung zwischen den Knöchelchen unterbrochen werden (Luxation).
Die Folge ich eine Schwerhörigkeit.

Schädelbruch

Bei einem Schädelbruch kann die Bruchlinie durch alle Strukturen des Ohres gehen.
Geht die Bruchlinie durch das Mittelohr (Pyramidenlängsbruch) kann neben einer Blutung aus dem Gehörgang, einer Lähmung des Gesichtsnerven auch eine Schwerhörigkeit auftreten.
Ursache ist eine Zerstörung der Mittelohrstrukturen oder Einschränkung der Schallübertragung im Mittelohr (z.B. bei Hämatotympanon).

1. 2. Ursachen für eine akute Schallempfindungs-Schwerhörigkeit (Innenohr-Schwerhörigkeit)


Hörsturz

Der Hörsturz ist eine plötzliche, meist einseitige, Hörverschlechterung.
Manchmal bestehen gleichzeitig Ohrgeräusch oder Druckgefühl. Weitere Symptome treten meist nicht auf.
Eine Ursache für die Hörverschlechterung lässt sich oft nicht nachweisen..
Zur Diagnose des Hörsturzes müssen alle Erkrankungen, die mit einer Hörverschlechterung einhergehen ausgeschlossen werden.


akute Schädigung durch Lärm

(Knalltrauma, Explosionstrauma, Akutes Lärmtrauma, Akustischer Unfall)

Starke Lärmbelastung mit mehr als 100 dB kann zu einer kurzzeitigen oder dauernden Schwerhörigkeit führen.
Zusätzlich können Ohrgeräusche und Schwindel auftreten.

Akute Infektionen des Innenohres

Entzündungen des Innenohres durch Viren oder Bakterien können neben anderen Symptomen zur Schwerhörigkeit führen.
Meist handelt es sich dabei bereits um Komplikationen einer Infektion.
Einige dieser Erkrankungen sind z.B. Hirnhautentzündung, Zoster oticus (Gürtelrose am Ohr), AIDS, Mumps, Lues (Syphilis), Toxoplasmose, Borreliose, Masern, Scharlach, Typhus, Fleckfieber, Brucellose.

Medikamente

Einige Medikamente können als Nebenwirkung eine, meist beidseitige Schwerhörigkeit verursachen.
Sie beginnt in der Regel mit dem Hörverlust der hohen Töne.
Die Entstehung ist dosisabhängig.
In den meisten Fällen ist das Innenohr aber bereits vorgeschädigt.
Zu diesen Medikamenten zählen unter anderem Aminoglykosid-Antibiotika, Diuretika, Lokalanästhetika, Zytostatika.

gewerblich toxische Stoffe

Akute und chronische Vergiftungen durch Stoffe, die im Arbeitsprozess verwendet werden, sind wegen strengen Arbeitsschutzbestimmungen selten.
Neben anderen Symptomen können folgende Stoffe zu einer Schwerhörigkeit führen (eine Auswahl): Aminobenzol, Blei, Fluor, Kohlenmonoxid, Quecksilber, Schwefelkohlenstoff, Nitrobenzol.

Stumpfes Schädeltrauma ohne ohrnahen Bruch

Eine Gewalteinwirkung auf den Schädel kann das Innenohr auch dann schädigen, wenn der Schlag nicht direkt auf das Ohr trifft.
Der Grund besteht in der Fortleitung der Druckwelle über die Knochenleitung auf das Innenohr.
Schwerhörigkeit, Ohrgeräusche, Schwindel und Benommenheit treten dabei auf.

Schädelbruch

Bei einem Schädelbruch kann die Bruchlinie durch alle Strukturen des Ohres gehen. Geht die Bruchlinie durch das Innenohr (Pyramidenquerbruch) kann es zu plötzlichem Hörverlust, Schwindel oder Gesichtsnervenlähmung kommen.

Fensterruptur

Mittel- und Innenohr sind über zwei Membranen miteinander verbunden, dem runden und dem ovale Fenster.
Auch diese Membranen können zerreißen. Dies kann eine Folge von operativen Eingriffen, Gewalteinwirkungen, Lärmschäden, eines Barotraumas oder dem Anstieg des Hirndruckes sein.
Kennzeichnend ist ein wechselndes (flukturierendes) Hörvermögen, oft verbunden mit Schwindel, Ohrdruck und Ohrensausen

Elektrounfall, Blitzschlag

Elektrischer Strom, der mit hoher Stromstärke durch den Körper fließt und seinen Weg durch das Innenohr nimmt, kann, neben anderen Symptomen, wie Verbrennungen und Nervenausfällen zur Schwerhörigkeit führen.

Akuter Verschlechterung einer chronischen Schwerhörigkeit

Es gibt zahlreiche Erkrankungen, die mit einer langsamen Innenohrschwerhörigkeit einhergehen.
Da diese Erkrankungen oft schubweise auftreten, kann es dabei auch zu einer akuten Innenohrverschlechterung kommen. Einige dieser Erkrankungen sind: Morbus Menière, Nierenfunktionsstörungen, Gefäßveränderungen, Erkrankungen der Halswirbelsäule (Zervikalsyndrom), multiple Sklerose.

Psychogene Schwerhörigkeit

Es handelt sich dabei um eine Schwerhörigkeit, die nach extremen Stresssituationen oder abnormen Erlebnissituationen auftreten kann.

 
 

2. Ursachen für eine chronische Schwerhörigkeit


2. 1. Ursachen für eine chronische Schallleitungs-Schwerhörigkeit (Gehörgang / Mittelohr)


Ohrschmalz (Cerumen)

Die vermehrte Bildung von Ohrschmalz oder das "nach hinten Schieben des Ohrschmalzes" beim Reinigungsversuch sowie die Arbeit unter staubigen Bedingungen führt dazu, dass sich Cerumen im Gehörgang ansammelt. Es kommt so zum langsamen Verschluss des Gehörganges, so dass eine zunehmende Hörverschlechterung bemerkt werden kann.

Exostosen, Stenosen
Exostosen entstehen durch vermehrtes Knochenwachstum im Gehörgang.
Stenosen können durch Narben und Entzündungen bedingt sein.
Beiden gemeinsam ist eine zunehmende Einengung des Gehörganges, was zu Beschwerden und einer fortschreitenden Hörminderung führen kann.
Chronische Mittelohrentzündung

Unter einer chronischen Mittelohrentzündung versteht man sowohl die chronische Schleimhauteiterung als auch die chronische Knocheneiterung.
Die Ursachen beider Erkrankungen ist unterschiedlich. Beiden gemeinsam ist eine ständig wiederkehrende Entzündung mit Ohrenlaufen und eine meist zunehmende Schwerhörigkeit.

Chronische Tubenventilationsstörung
Bei der chronischen Tubenventilationsstörung ist die Ohrtrompete, über die normalerweise der Druckausgleich zwischen Mittelohr und Außenwelt erfolgt, ständig verschlossen.
Das führt zu einem andauernden Vertäubungsgefühl und einer wechselnden Schwerhörigkeit.
Besonders bei Kindern kann sich so Flüssigkeit im Mittelohr ansammeln (man spricht dann vom Sero- oder Mukotympanon), welche eine Schwerhörigkeit noch verstärkt.
Heilt die Erkrankung nicht aus, kommt es zu Veränderungen der Mittelohrschleimhaut (Tympanosklerose) und hochgradiger Schwerhörigkeit.
Otosklerose

Durch entzündliche Umbauprozesse des Knochens kommt es zu einer Fixierung der Gehörknöchelkette am Übergang zum Innenohr (Steigbügel im ovalen Fenster).
Dadurch wird die Beweglichkeit der Gehörknöchelkette und damit die Fähigkeit der Schallübertragung eingeschränkt.
Das führt zu einer schubweisen Verschlechterung des Hörvermögens und Tinnnitus.
Frauen erkranken häufiger als Männer.

Geschwülste
Tumoren im Gehörgang und im Mittelohr (z.B. Glomustumor) können sowohl gut- als auch bösartig sein, sind aber relativ selten.
Meist verursachen sie ein Druck- und Völlegefühl, Ohrgeräusche, später eine zunehmende Schwerhörigkeit.

2. 2. Ursachen für eine chronische Schallempfindungs-Schwerhörigkeit (Innenohr-Schwerhörigkeit)


Altersschwerhörigkeit
Aufgrund verschiedener Alterungsprozesse setzt im 5. bis 6. Lebensjahrzehnt eine meist beidseitige Schwerhörigkeit ein.
Zuerst verschlechtert sich das Hören der hohen Frequenzen (man hört das Zirpen der Grillen nicht mehr).
Das Sprachverständnis, besonders bei starken Hintergrundgeräuschen nimmt ab (Cocktailparty-Effekt).
Lärmschwerhörigkeit

Eine tägliche 6 bis 8-stündige Lärmbelastung über 80 dB kann über Jahre (!) eine beidseitige Innenohrschwerhörigkeit verursachen.
Das ist oft bei Arbeitstätigkeit unter Lärm (z.B. Metallarbeiter, Baggerfahrer, DJ's) ohne entsprechenden Gehörschutz der Fall.

Stoffwechsel- und Kreislaufstörungen
Verschiedene Erkrankungen gehen mit einer fortschreitenden Verschlechterung des Hörvermögens einher.
Dazu zählen Nieren- und Schilddrüsenfunktionsstörungen, Diabetes mellitus, Gefäßveränderungen (Arteriosklerose), Immunerkrankungen.
Akustikusneurinom

Es handelt sich um eine langsam wachsende Geschwulst am Hör- bzw. Gleichgewichtsnerven.
Durch Druck der Geschwulst auf den Nerven kann es zu einer zunehmenden Schwerhörigkeit, manchmal mit Schwindel und Ohrgeräuschen, kommen.

Morbus Menière
Hierbei kommt es anfallsartig zu Schwindel, verbunden mit Ohrgeräuschen und einer Schwerhörigkeit.
Die Schwerhörigkeit beginnt meist mit dem Verlust der tiefen Töne.
Die Ursache ist eine Druckerhöhung und damit Schädigung der Strukturen im Innenohr.
Zentrale Hörstörungen

Hörstörungen, deren Ursache in den Hirnstrukturen zu suchen sind, werden unter dem Begriff zentrale Hörstörungen zusammengefasst.
Meist finden sich hierbei gleichzeitig andere neurologische Veränderungen.

(8/2018)